Eine Nacht voll Fragen und ein Morgen voll Zweifeln liegen hinter mir. In der Nacht bin ich das verwundbarste Geschöpf von allen. Die Natur hat uns Menschen mit so eingeschränkten Sinnen ausgestattet, dass wir nachts eine Behausung brauchen, um sicher zu sein – oder um uns sicher zu fühlen. Viele unbekannte Geräusche begleiten uns durch die Nacht – Dachse, die keifen; Vögel, die in der Dämmerung zu singen beginnen; der Rütibach, der sich rauschend durch den Tobel bahnt. Ruhig ist es nachts im Wald nicht.
Und dann beginnt es zu regnen – und hört gefühlt nicht mehr auf. Eigentlich habe ich mir einen ringeren Einstieg erhofft. Ich werde gewahr, dass ich einfach ein Teil der Natur bin – nichts besonderes und zunächst einfach auch ein Fremder für die Bewohner*Innen dieses Waldstücks. Auch hier wird mir einmal mehr bewusst, wie schlecht mein Menschenkörper zum Überleben hier ausgestattet ist. Kein Fell, das mich vor Kälte schützt. Nichts, was mir den Regen vom Leib hält. Und dann habe ich auch noch vergessen eine Regenhose einzupacken. Ob ich die 20 Tage durchhalte – heute Morgen weiss ich nicht wie.
Immerhin klappt es mir am Morgen einen Kaffee zu kochen – trotz all dem nassen Holz. Ich werde mir irgendwie Holz trocknen müssen. Es regnet so unerbitterlich, dass sogar die Blache über meiner Hängematte durchlässt. Zwar nur spärlich, aber doch… Immerhin brauche ich mich heute nicht zu waschen, schliesslich bin ich völlig durchnässt – und dann: Dann hört es endlich auf zu regnen! Und sogar die Sonne schafft es kraftvoll durch die Wolken. Alles sieht so frisch aus – so unendlich viele Grüntöne kennt der Wald.
Die Erfahrung der Nacht und des Morgens werfen mich völlig auf mich selbst und meine Körperlichkeit zurück. Ich konnte jetzt einfach gehen und wäre in einer Stunde zu Fuss Zuhause. Die Seele stärkt meinen von der Kälte und Nässe beanspruchten Körper. Die Ahnung, als glaubender Mensch nicht alleine zu sein, gibt mir Kraft. Die Erfahrung ein Teil der Schöpfung zu sein – ein Teil, nicht mehr und nicht weniger -, macht mich demütig, lässt mich spüren getragen zu sein in und durch das Ganze.
Heute berichtet Lifechannel über das Gallus Experiment.
Fotos von Ueli Steingruber.